wieder geht ein Jahr…

In meinem Freundeskreis stehen alle kurz vor ihrem 50, einige auch schon dahinter, und viele stürzt die Aussicht auf die dicke Null in eine Lebenskrise. Zu meiner Verwunderung freut sich niemand über all die überstandenen Jahre, stattdessen hadert man mit Äußerlichkeiten. Viele lassen sich eine Tätowierung stechen, ich kenne auch jemand, bei dem die Entfernung der Tätowierung schiefgegangen ist. Ich kenne jemand, der sich den Rücken mit Wachs enthaaren lässt, ich kenne jemand, der sich Haare auf dem Kopf verpflanzen ließ, ich kenne jemand, der schon Botox ausprobiert hat, ich kenne jemand, der eine Einladung zur Botox-Party ausgeschlagen hat. Ich traf Frauen, die sich die Brüste haben vergrößern oder verkleinern lassen und natürlich färben sich fast alle Frauen und auch einige Männer in meinem Umfeld die Haare.

Meine grauen Haare sind seit Jahrzehnten immer wieder Anlass für erstaunt-entsetze Bemerkungen. Die ersten entdeckte ich im Alter von 27 Jahren auf der Toilette bei der Arbeit. Der Job war furchtbar und auf dem Klo schien erbarmungsloses Neonlicht, als meine müden Augen im Spiegel ein paar graue Haare an den Schläfen erspähten. Welche Freude! Endlich ein deutliches Zeichen, dass ich kein kleines Doofchen mehr war. Zum ersten Mal angesprochen auf meine grauen Haare wurde ich mit 29 von der Pflegerin meiner Oma, die kaum älter war als ich. Bei einem Besuch, ich trug eine Haarspange, um die Augen frei zu haben, blieb ihr Blick an meinem Kopf hängen. Ihre Augen wanderten über mein Haupt und machten mich nervös. Ich fing schon an, meinen Kopf abzutasten, ob sich dort vielleicht ein ekliges Insekt befände, als die Pflegerin sehr erstaunt den Mund öffnete: Susanne?! Wie alt bist Du denn?! (starker polnischer Akzent) Ich: 29. Sie: (stotternd) Ja, aber du hast ja graue Haaaare! In der Art erlebe ich es seitdem immer wieder und wieder. Mit Anfang 30 habe ich mir blonde Strähnchen färben lassen. Nicht wegen der grauen Haare, sondern weil mein Haar ansonsten die Farbe von nassem Sand hat und so glatt ist, wie Schnittlauch. Ich wollte etwas Pepp in die Frisur bringen. Das ging schief. Als ich aus dem Friseursalon kam, war ich nicht lebhaft gesträhnt, sondern einfach überblond. Um die Sache wieder in Ordnung zu bringen, ging ich zu einem anderen Friseur. Und war begeistert! So hatte ich mir Strähnchen vorgestellt! Über Jahre hinweg blieb ich dem Friseur treu, bis er seinen Laden aufgab. Seitdem habe ich keinen adäquaten Ersatz gefunden. Ausserdem sind über die Jahre die grauen Haare immer mehr geworden und ich finde, es sieht echt blöd aus, wenn die gefärbten Haare raus wachsen und man hat einen grauen Ansatz. Auf jeden Fall deutlich blöder, als ein dunkelblonder Ansatz. Ich wollte Schluss machen mit der Färberei. Es war ja auch furchtbar teuer und zeitaufwändig. Die Gelegenheit war günstig, da ich es schon ein paar Monate nicht zum Friseur geschafft hatte. Eines Tages sagte ich arglos zu meinem Freund: „morgen gehe ich zum Friseur“ Wir saßen im Biergarten, hatten eine lange Radtour hinter uns. Er blickt erfreut und sagt: “Ja? Lässt Du dann die grauen Haare wegmachen?“ Danach habe ich nur noch geheult. So sehr, dass mir die Bedienung eine Rose geschenkt hat. Ich konnte nicht mehr aufhören. Wenn mein Partner, seinerseits auch mit grauen Schläfen, mich gerne ohne graue Haare gewollt hätte, wäre unsere Beziehung in meinem 27. Lebensjahr zu Ende gewesen. Als wir uns kennen lernten, war ich 37. Ihm zuliebe habe ich dann doch wieder Strähnchen färben lassen. Es wurde aber nicht so richtig gut. Mehrfach wurde ich angesprochen: „Du hast aber komische, blonde Strähnchen“. Das war´s. Dafür setze ich mich nicht alle paar Wochen 2 Stunden zum Friseur und zahle ein Vermögen. Einmal, als der letzte Friseurbesuch mit Farbe schon eine Weile zurück lag, traf ich die Schwiegereltern meines Bruders, beide Ende 60. Sie sehen mich und schlagen entsetzt die Hände vor den Mund: Du hast ja graue Haaare! Da war ich 45. Ein anderes Mal treffe ich einen alten Bekannten, den ich wirklich Jahrzehnte nicht gesehen hatte. Er, bestimmt 10 Jahre älter als ich und stark ergraut, begrüßt mich mit einer Bemerkung über meine grauen Haare. Dann habe ich angefangen, das Produkt „Renature“ zu verwenden. Ich war neugierig, wie es wirken würde und fand es ganz ok. Die Anwendung ist einfach, geht schnell und ist auch nicht teuer. Aber meine grauen Haare verwandeln sich damit nur zurück in ihr ursprüngliches mausblond. Der Effekt ist nicht vergleichbar mit mehrfarbig brillant-blonden Strähnen vom Friseur. Alle 3 Wochen muss man nachlegen, wenn es nicht auffallen soll. Nach einem Jahr bekam ich Probleme mit der Kopfhaut. Obwohl ich jetzt nichts mehr färbe, sind die Probleme immer noch da. Und die doofen Sprüche sowieso. Zuletzt vor ein paar Tagen. Ein langjähriger Freund, der mich regelmäßig zu sehen bekommt, bestaunte und kommentierte mein Haar. Es nervt! Vielleicht liegt es daran, dass sich viele Menschen, auch Männer, mit grauen Haaren nicht wohl fühlen und ihre Haare färben. Neulich las ich ein Interview mit Tom Jones, der mit 65 damit aufgehört hat. Der Anblick ist einfach zu ungewohnt.

Als Kind waren meine Haare nie ordentlich genug gekämmt und gezopft. Egal, wie viel Mühe ich mir gegeben hatte, mein glattes Haar noch glatter zu kämmen, immer hatte meine Mutter etwas daran zu mäkeln. Selbst heute noch begrüßt sie mich regelmäßig mit Kritik an meiner langweiligen Frisur. Damals, als Teenie träumte ich davon mir die Haare blau zu färben, nur um meine Mutter zu schocken. Natürlich habe ich mich nie getraut. Heute stelle ich fest, ist es viel schockierender, sich die Haare nicht zu färben. Dabei gefallen mir meine grauen Haare. Die Farbe ist lebhafter, die Haare sind dicker, so, wie ich es immer vermisst hatte. Und wenn ich mich umschaue, finde ich graue Haare bei anderen auch nicht hässlich. Die Haarfarbe ist für mich vor allem eine Laune-Sache. Wer färben will, der soll es machen. Vielleicht bekomme ich ja auch eines Tage wieder Lust darauf.

Und bis dahin trage ich eine meiner bunten Perücken, wenn ich eine neue Haarfarbe brauche!

2 Gedanken zu „wieder geht ein Jahr…

  1. Hallo Liebe Susi,

    alles Gute zum Geburtstag…. und ja 50 ist ein großes Thema in unserem Freundeskreis. Wobei ich auch was neues gelernt habe in deinem Blogeintrag 😉
    Du hast ja noch ein bisschen Zeit 🙂
    Viel Gesundheit und Glück erstmal für das nächste Jahr !
    Liebe Grüße aus Berghofen

    Thomas

  2. Hast Du wieder fluffig geschrieben – man findet sich direkt wieder. 🙂

    Das mit dem Färben ist ein heikles Thema. Meine Haare sind zwischenzeitlich mal wieder ziemlich gelb gewesen… Manchmal frage ich mich auch: Was mache ich hier eigentlich?! Bei mir sind es aber eher die dunklen Haare (die älter machen), die ich weg haben will…

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