Der erste Tag am anderen Ende der Welt

3) Nachdem unser Neffe uns am HBF in Empfang genommen hatte, ging es mit dem Taxi zu seiner Wohnung im „Lotte Castle“, einem Wohnschloss zu Füßen von Seouls Hausberg Namsan. Jan gibt dem Taxifahrer perfekte Anweisungen auf Koreanisch. Trotzdem kommt es zu einem wortreichen Missverständnis, als wir nicht zum Luxuskaufhaus Shinsegae zur linken, sondern zu den 4 gläsernen Wohntürmen zur rechten abbiegen wollen. Wir betreten das Gebäude durch einen unscheinbaren Hintereingang. Jan hat natürlich die Eintrittskarte und Zahlencodes parat, um die Tür zu überwinden. Im goldgeschmückten Aufzug beeindrucken uns die unzähligen Knöpfe für die 26 Stockwerke. Wir fahren in bis zur 17. Die Wohnungstür sieht aus wie ein Panzerschrank und begrüßt uns mit einem leuchtenden Display auf Koreanisch. Die Wohnung ist sehr groß, hell und modern. Zum Glück steht kein anderes Hochhaus vor dem Fenster, so dass wir eine schöne Aussicht auf Jans Bürogebäude und die Stadt zu unseren Füßen haben. Leider ist es recht dunstig und die Sicht reicht nicht allzu weit. Wir stellen schnell die Koffer ab und Jan erklärt uns die Toilette. Ein Wunderwerk der Technik! Es gibt fast so viele Knöpfe, wie im Aufzug. Mit einem könne man sogar bis zum Mond fliegen, scherzt Jan. Zum Glück ist alles zusätzlich auf Englisch beschriftet. Außerdem gibt es in jedem Zimmer eine Gegensprech-Anlage für die Klingel und im Wohnzimmer sogar einen kleinen Bildschirm. Dort kann man sehen, wer zu Besuch kommt und Heizung und Klima-Anlage steuern. Jetzt wollen wir aber erstmal raus und uns die Beine in der Stadt vertreten. Wir beginnen am Deoksugung Palast neben dem Rathaus und laufen von dort ins Insadong-Viertel, wo wir scharfe Spießchen essen und in einem der unzähligen Cafés einkehren. Das Wetter ist so mild, dass wir draussen sitzen können. Insadong besteht aus vielen kleinen Häusern, die auf einem steilen Hügel ineinander geschachtelt sind. Viele sind traditionell gebaut, mit Pagodendach und Innenhof. Das können wir sehen, als wir eine private Aussichts-Terasse ganz oben auf dem Hügel betreten. Für einen kleinen Obulus serviert eine uralte Omi Jasmintee und man kann es sich auf Plastikstühlen bequem machen, um die Aussicht zu genießen. Sonnenuntergang über den Dächern von Seoul! Jan ruft eine Freundin an, ob sie mit uns Abendessen gehen will. Wir laufen den ganze Hügel wieder hinunter, vorbei ein etlichen kleinen Lädchen mit Kunsthandwerk und Souvenirs. Das Menschengewusel wird immer dichter, die Straßen immer breiter und Jan führt uns in ein typisch koreanisches Lokal. Typisch ist, dass der Kellner erst kommt, wenn man auf den Klingelknopf drückt, der sich auf allen Tischen befindet. Typisch ist auch, dass das Essen für alle in die Mitte gestellt wird und jeder kann sich davon nehmen nach Belieben. Dazu gibt es viele kleine Beilagen, vor allem eingelegten Kohl, Rettich und Sprossen und natürlich Reis. Gegessen wird mit Stäbchen und Löffel, für Fleisch und größere Teile bekommt man eine Schere auf den Tisch. Wir bestellen einen Pfannkuchen mit Lauch und diverse Kleinigkeiten. Dann erscheint eine junge Asiatin. Es ist aber nicht die Kellnerin, sondern Jans Freundin. Sie spricht fließend Deutsch mit stark fränkischem Akzent, denn sie kommt aus Nürnberg. Nach dem Essen muß ich mal zur Toilette. Oh je. In Deutschland war ich gewarnt worden, das sei in Asien ein Problem. In der Tat erwartet mich ein beheizter High-Tech Toilettensitz mit vielen Knöpfen. Als ich fertig bin, suche ich die Spülung. Alles voller Schriftzeichen und Symbole, welches mag wohl die Spülung sein? Ich entscheide mich für ein vielversprechendes Knöpfchen und warte gespannt. Es summt. Dann fährt in der Kloschüssel ein Arm aus. Ein Wasserstrahl sprudelt wie ein Springbrunnen aus der Toilette und überschwemmt den ganzen Raum. Bidet-Funktion! Ich kann gerade noch zur Seite springen, bevor ich nass werde. Es hört nicht auf. Das Wasser sprudelt und sprudelt. Ich schliesse den Deckel. Es sprudelt weiter. DA! Endecke ich die Spülung, ein ganz normaler Hebel am Wasserkasten. Endlich hört die Bidet-Dusche auf. Alles ist nass. Am Waschbecken steht zum Glück ein Eimer mit Wischer. Vermutlich passiert das auch anderen Gästen. Ich bringe die Toilette ein wenig in Ordnung.

Dann sind wie alle erschöpft und gehen schlafen.

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