Nach dem anstrengenden Herbst 2015 brauchte ich dringend etwas Ruhe und Erholung. Nordsee in der Nachsaison erschien mir verlockend und so fuhr ich in unser bewährtes Appartementhaus „Kaiserhof“. Auf Norderney ist es im Januar wirklich sehr ruhig. Viele Lokale und Geschäfte machen Betriebsferien und leider war auch das Schwimmbad unten im Haus geschlossen. Aber ich wollte sowieso einmal ins „Badehaus“ gehen. Von der tollen Saunalandschaft hatten mit schon einige vorgeschwärmt. Der Besuch kostete mich 27,-€ für 4 Std. Ziemlich teuer, doch bereut habe ich keinen Cent! Erst einmal lief ich überall herum, um alles anzuschauen. Im Warmbade-Teil lungerten ein paar Rentner in den Becken herum, es war wenig los. Durch eine Tür gelangte ich ins Familienbad. Und da war überhaupt niemand. Eine ganze große Schwimmhalle ohne eine Menschenseele! Und was für eine tolle Schwimmhalle! Ganz modern, trotzdem nicht kahl. Viel Naturstein und Holztribünen mit großen, bunten Lümmelkissen. Strandkörbe vor den hohen Fenstern und der Blick nach draussen in den Dünengarten. Das Wasser im Becken spiegelglatt. Staunend schlendere ich um das Becken herum und bewundere die Details. Plötzlich schwallt neben mir ein Wasserfall von der Decke. Ich gehe weiter, da sprudelt neben mir eine Fontäne aus dem Boden! Nanu, ist hier ein Bewegungsmelder? Noch ein paar Meter – wieder ein Wasserfall! Als ich das Becken ungefähr zur Hälfte umrundet habe, spritzen auf einmal zwei große, dicke Düsen einen Wasserstrahl in hohem Bogen über das Becken. Verwirrte schlendere ich weiter, kann mich nicht entschließen, zu verweilen. Zu hübsch ist die künstliche Grotte an der nächsten Ecke, die von innen heraus mit kleinen Spiegelplättchen funkelt. Ich schaue hinein und in dem Moment prasselt drinnen eine dicke Brause los. Ist ja irre! Mit offenem Mund beende ich die Runde, als ein junger Bademeister erscheint. Er ist klein und stämmig, trägt ein rotes Baywatch-Outfit und eine blonde Prinz-Eisenherz Frisur. Mit ausladender Armbewegung deutet er auf das Becken und ruft: Schauen Sie mal, alles für Sie ganz alleine! Wow! nicke ich beeindruckt. Ist wirklich toll hier! Ja, sagt der Bademeister, ich habe extra für Sie alles angeschaltet, damit Sie es mal sehen können. (Also doch kein Bewegungsmelder!) Dann erklärt er mir stolz alle Finessen der Badelandschaft und wir unterhalten uns etwas. Leider bin ich noch nicht geduscht und habe noch keinen Badeanzug an, daher muss ich noch einmal zurück. Auf dem Weg zur Tür fällt mein Blick auf eine Nische hinter dem Bademeister-Häuschen mit der Aufschrift „Trost-Ecke“. Ich bin immer noch traurig, über den Tod meines Vaters. Einen Moment lang überlege ich, noch einmal beim Bademeister zu klopfen. Ich stelle mir vor, wie er rauskommt und ich frage, ob er mich trösten kann. Klar doch, sagt er und fängt an, die „Trost-Ecke“ von dutzenden Schwimmflügeln und Schwimmringen frei zu räumen. Ich setze mich in meinem rosa Bademantel auf die Bank unter dem aufgemalten Teddy und der Bademeister sagt so etwas wie „Schhh, schhh, schhhh. Nicht weinen! Sie sind doch jetzt hier bei uns. Kopf hoch! Gleich gehen Sie erstmal auf die Rutsche. Die ist was Besonderes! Die ist nämlich von innen beleuchtet mit Spezial-Effekten. Und dann -das müssen Sie unbedingt- gehen Sie ins „Feuerbad“. Das Wasser ist sehr heiß, 42° und das Becken ist oben offen. Danach geht es Ihnen besser. Bestimmt. Der Weichzeichner rund um mein Gedankenbild löst sich auf und ich gehe duschen. Zuerst teste ich die „Waschstrasse“: Kalter Wasserfall, warmer Wasserfall, Fontäne von unten, Regendusche von oben und zum Schluß noch einen Guß aus einem Eimer unter der Decke. Noch einen. Uuund noch einen! Kein Icebucket dabei, Glück gehabt. Dann auf die Rutsche mit den psychedelischen Lichtspielen. Und dann in die Spiegelgrotte, wo ich mich von der dicken Dusche in der Mitte massieren lasse – Aaaahh, Ohhh, fühle ich mich gleich wie eine Badeprinzessin! Dann schwimme ich noch etwas herum. Inzwischen sind noch ein paar Badegäste gekommen. Da ertönt ein Horn. Tuuuut! Was soll das bedeuten? Noch einmal: Tuuuut! Ich drehe den Kopf und da erst bemerke ich hinter mir die großen Schleusen. Wellenbad! Und schon beginnt das Becken zu schaukeln. Die Anlage kann was! Im salzigen Wasser fühle ich mich jetzt wirklich, wie im Meer. Herrlich! Als die Wellen versiegen, verlasse ich das „Familienbad“ und gehe wieder zu den Rentnern. Das „Feuerbad“ wartet. Hinter der Tür im kleinen Becken ist niemand. Eine riesige Open-Air Badewanne nur für mich! 42° heißes Wasser bei 5° kalter Luft ist schon eine Wohltat. Ich bin umgeben von 10 Meter hohen Wänden und habe das Gefühl, in einen tiefen Brunnen mit heissem Wasser gefallen zu sein. Der Bademeister hat nicht zuviel versprochen. Es ist wunderschön. Auch in der Sauna auf der Dachterasse bin ich wieder die Einzige. Die Stunden vergehen schnell.
Als mein Freund am Abend mit der Fähre kommt, freue ich mich richtig, nicht mehr alleine zu sein.