In meiner Kindheit wurde nicht viel geraucht. Meine Eltern waren beide Nichtraucher, vor allem mein Vater war recht militant und mir ein großes Vorbild. Wenn bei uns einmal ein Raucher zu Besuch war, roch man es schon oben an der Haustüre, selbst wenn der Besucher nur im Keller bei meinem Vater im Büro eine gequalmt hatte. Und die erwachsenen Raucher meiner Kindheit regten mich auch nicht zum Nacheifern an. Meine Oma rauchte „Eve“, eine extra lange, extra schlanke Marke für die Lady. Die Zigaretten wurden in einer Schmuckschachtel mit Emaillemotiv aufbewahrt und ich mochte den Tabak-Geruch, wenn man den Deckel aufmachte. Jedoch rauchte sie nur gelegentlich mit ihren Freundinnen und nie vor meinen Augen, so daß ich meine Oma nicht als Raucherin gesehen habe. Dann gab es die Frau von meinem Onkel. Sie war Alkoholikerin und starb später auch den Folgen dieser Krankheit. Als Kind wusste ich das natürlich nicht. Ich mochte sie nicht, weil sie auf den Familienfeiern immer so künstlich laut und aufgedreht war und viel geraucht hat. Oder unseren Nachbarn, den Bauern. Es gab ihn nicht ohne Kippe zwischen den Zähnen, bis er ungefähr mit 50 im Stall einen Herzinfarkt erlitt. Im nachbarschaftlichen Wohnzimmer stand immer so ein Dreh-Aschenbecher auf dem Tisch. Damit habe ich gerne rumgespielt. Vermutlich war es im Wohnzimmer sehr staubig und verraucht, aber daran erinnere ich mich gar nicht. Der Bauer war ein jähzorniger, großer, kräftiger Mann, der sich einen Spaß daraus machte, mich kleines Mädchen in den Schwitzkasten zu nehmen. Dann zückte er eine Nagelschere aus den Taschen seiner grünen Latzhose und drohte damit, meine Zöpfe abzuschneiden. Ich fürchtete um mein Leben! Und dann gab es noch meinen Klavierlehrer, der mich ca von meinem 10.-14. Lebensjahr an gequält hat. Nicht nur, dass ich den Unterricht gehasst habe, der Mann war auch noch Kettenraucher. Ernte 23. Und er mochte mich. Wenn ich in meinen selbstgestrickten Mohairpullis zum Unterricht erschien, wurde ich herzlich umarmt, mit brennender Kippe in der Hand. Jedes Mal hatte ich Angst, in Flammen aufzugehen. Seine Finger waren ganz gelb verfärbt von den vielen Zigaretten und weil ich nie geübt hatte konnte ich nichts. Lust hatte ich auch nicht. Daher gab der Klavierlehrer oft seine Künste für mich zum besten und setzte sich selbst ans Klavier. Am Ende der Tastatur stand der Aschenbecher, in dem immer eine angerauchte Fluppe qualmte und die Tasten waren immer von Asche bedeckt. Ich weiß nicht, ob er später gesundheitliche Probleme bekam. Auf jeden Fall war ich überglücklich, als ich mir endlich ein Herz fasste und meinen Eltern klarmachen konnte, dass ich wirklich nicht mehr zum Klavieruntericht will. Kann man sich das heutzutage noch vorstellen? Ein Klavierlehrer, der im Unterricht raucht?