Seit einiger Zeit habe ich einen neuen Job. Leider nicht in der Nähe meiner geliebten Heimatstadt Dortmund, sondern fernab der Zivilisation im Westerwald. Der Ort, in dem sich mein Arbeitgeber befindet, hat nur 1000 Einwohner. Ausser der Firma gibt es dort höchstens noch einen Angelverein. Ich habe eine kleine Wohnung ein paar Dörfer weiter bezogen, wo es immerhin einen Supermarkt und eine Tankstelle gibt und für den Sommer ein schönes Freibad. Nun werde ich oft gefragt, was ich denn hier so abends mache, so ganz alleine in der fernen Ödnis.
Eigentlich nichts anderes, als vorher auch nach einem langen Arbeitstag.
Auf der Suche nach einer Sportmöglichkeit hatte ich mir schon ein paar Fitness-Studios angeschaut, die mir alle nicht zusagten. Sogar in einer Tanzschule war ich zum Probetraining, doch leider wollte der gutaussehende Mitt-Fünfziger (der mir zur Seite gestellt wurde) das Training nicht mit mir fortsetzen. Eines Abends quoll mal wieder das lokale Anzeigenblättchen aus meinem Briefkasten.
Dort fand ich zwischen den aktuellen Wildschwein-Warnungen und Kettensägen-Seminaren eine kleine Notiz der Volkshochschule: Aerobic-Kurs, noch Plätze frei.
Der Termin passte gut, der Preis war günstig, die Veranstaltung lief im Nachbarort nicht allzu weit.
Schon griff ich zum Hörer und hab mich angemeldet.
Am nächsten Tag bin ich einmal vorbei gefahren, um zu sehen, wo der Kurs wohl stattfindet.
Zuerst konnte ich es gar nicht glauben. Es war nämlich in einem Vorort vom Nachbarort, und der Nachbarort ist nicht groß. Also am alleräußersten Rande der Welt, nur über winzig kleine, schmale Straßen zu erreichen, die sich über die Hügel und Felder nahe der A3 winden.
Am Ziel erwartete mich keine Turnhalle oder Gemeindehaus oder was auch immer man als Ort für einen Aerobic-Kurs erwartet hätte, sondern ein großes apricot-farbenes Haus, das sehr privat aussah. Doch als ich mich bei meinen Kollegen erkundigte, wunderte sich niemand. Das sei auf jeden Fall der richtige Ort.
Dann kam der erste Kurs-Abend. Trotz der Recherche im Vorfeld habe ich mich verfahren und kam zu spät. Hinter der Haustüre erwartete mich ein sehr privat wirkendes Treppenhaus mit Topfblumen, aus dem Keller hörte man Stimmen. Hier war ich richtig. Der Kursraum war zwar klein, aber es sollten ja auch nur 10 Teilnehmer sein. Der Partykeller dient als Umkleide: dort grüßen Pferdebilder von den Wänden, alte Hufeisen dienen als Garderobenhaken und über dem Tresen hängt eine alte Holz-Egge.
Die größte Überraschung war jedoch die Trainerin selbst. Bei ihrem Namen hatte ich keine junge Frau erwartet, aber Hildegard Runkel hätte locker meine Mutter sein können. Und ich bin auch nicht mehr die jüngste. Das Training war spitze. Bei Hilde im Keller lief fetzige Musik, es gab lustige Sprüche und fordernde Übungen. Hilde selbst turnt alles mit und achtet gleichzeitig darauf, daß alle richtig mitmachen. Und sieht dabei auch noch klasse aus. Schlank und geschmeidig bewegt sie sich im Takt, trägt Stirnband und Stulpen und ein Glitzershirt. Alter? Egal!
Neulich lief im TV eine Preisverleihung, bei der die echte Jane Fonda zu sehen war.
Sie ist genau der Typ. Jetzt freue ich mich jede Woche schon auf das Training im Keller am Ende der Welt. Es motiviert mich sehr, wenn ich sehe, wie fit man sein kann, auch weit jenseits der 30.
Und wenn Ihr mir nicht glaubt, könnt Ihr ja mal auf die Webseite der fitten Hilde schauen:
http://www.hilde-runkel.de