5) Ein Ausflug zur Inner-Koreanischen Grenze ist nur etwas für Früh-Aufsteher.Nur möglich im Rahmen einer geführten Tour nach Voranmeldung. Treffpunkt ist morgens um 7:00 im Hotel Lotte, einem kitschigen Luxus-5 Sterne Palast des allgegenwärtigen Lotte Konzerns. Weil wir früh dran sind, trinken wir noch einen überteuerten Kaffee in der plüschigen Lobby, bevor wir mit ca. 20 anderen müden Gestalten einen altmodischen Reisebus besteigen. Der Bus ist ganz in lila-goldenem Brokat ausgeschlagen: Schonbezüge auf den Sitzen, lila-goldene Vorhänge und auch das Armaturenbrett ist mit Deckchen verziert. Es wirkt sehr fernöstlich. Auf der etwa einstündigen Fahrt im Morgengrauen werden wir von der Reiseleitung eingestielt, was es in der DMZ (demilitarized Zone) zu tun und zu lassen gilt: Immer schön in der Gruppe bleiben, nicht die vorgeschriebenen Wege verlassen, nur die vorgegebenen Objekte fotografieren, nicht mit dem nackten Finger auf irgendetwas zeigen, nicht mit den Armen fuchteln, keine Grimassen ziehen und auf keinen Fall den „Gangnam Style“ tanzen. Das hätte mal ein Teilnehmer versucht und wäre gleich in Handschellen abgeführt worden. Es könnte aber auch schnell mal scharf geschossen werden. Wie albern und wie erst das ist, sehen wir später vor Ort. Wir werden von einem amerikanischen GI in Empfang genommen, der uns zunächst einen propagandistisch gefärbten Diavortrag über die Grenze zeigt. Dann werden wir ein wenig über das Gelände geführt, bis wir auf der Terasse des „Besucherzentrums“ dem „Feind“ ins Auge blicken dürfen. Gegenüber steht ein großer, protziger Klotz. Das Nordkoreanische Besucherzentrum. Als der Süden ein schickes, neues und vor allem großes Gebäude hochgezogen hatte, wollte der Norden sich nicht lumpen lassen. Sie haben ihr kleineres Gebäude abgerissen, um dort noch größer und vor allem höher zu bauen, als die Nachbarn. Zwischen beiden Gebäuden liegt die Demarkationslinie und drei blaue Baracken. Alles ist strengstens bewacht. Die Soldaten müssen den ganzen Tag in Kampfhaltung auf dem Posten sein und exakt zur Hälfte hinter der Baracke stehen, damit sie schnell in Deckung springen können, falls geschossen wird. Unser GI erzählt, dass der Soldat vor dem Nordkoreanischen Besucherzentrum seit über 5 Jahren dort zu sehen ist. Jeden Tag stillgestanden und Augen geradeaus Richtung Südkorea. Wir dürfen eine der Baracken betreten, in der politische Treffen und Verhandlungen stattfinden. Sie steht exakt mittig auf der Grenze und im Innern können wir auf die nordkoreanische Seite gehen. Zwei finstere südkoreanische Soldaten bewachen das Interieur und stehen als Fotomotiv zur Verfügung. Einige Besucher stellen sich wirklich für ein Foto daneben. Als unser GI uns wieder zurück nach Südkorea führt, bin ich erleichtert. Im Besucherzentrum wartet noch eine kleine Ausstellung über etliche kriegerische Zwischenfälle an der Grenze und ein Souvenirshop. Der GI kauft sich zur Belohnung für die gelungene Führung ein dickes Eis. Ich kann nicht widerstehen und nehme auch eins. Die restlichen Andenken, wie z.B. Mini-Maschinengewehre als Schlüsselanhänger oder Kinderkleidchen im Army-Style finde ich recht geschmacklos.
Nach dieser Grenzerfahrung geht es weiter mit dem Bus durch die Sperrzone. Ein Paradies für Vögel und Pflanzen. Wir sehen die Fahnenmasten in den beiden Dörfern nahe der Grenze, genannt Freedom Village und Propaganda Village. Von dort wurde eine Zeitlang über Lautsprecher der Süden mit Propaganda beschallt. Auf der Gegenseite hisste man dafür die Flagge des Südens in luftiger Höhe. Das konnte der große Führer im Norden nicht lange auf sich sitzen lassen, und rüstete seinen Fahnenmast auf. Er ist jetzt höher, als die Aussichtsplattform auf dem Dortmunder Fernsehturm. Die Fahne ist 270kg schwer und 30 Meter lang. Weil so weit oben der Wind etwas schärfer weht, muss die Fahne alle Nase lang erneuert werden. Das kostet und braucht einen Haufen starke Fahnenträger. Die Fahne weht nur selten, wegen der monströsen Ausmaße. Aber als wir in Sichtweite kommen, flattert das gute Stück im Wind wie gemalt. Fotografieren ist natürlich verboten.
Dann steuern wir einen weiteren bedeutsamen Punkt an der Grenze an. Die „Bridge of Freedom“. Das Gelände liegt an einem Fluss und besteht aus einem modernen Gebäude mit Aussichtsplattform, einem Rummelplatz im Winterschlaf, ein paar Skulpturen und der stillgelegten Dampflok „Train of Freedom“. Es gibt ein Restaurant und Souvenirshops. So richtig verstehen wir die Sache nicht. Es wurde im Rahmen der „Sunshine Policy“ zu Beginn der 00er Jahre errichtet, als man eine Annäherung an Nordkorea auf wirtschaftlicher Ebene angestrebt hat. Vor unserem geistigen Auge sehen wir Züge voller Nordkoreaner auf dem Rummel in der Pampa ankommen, die angesichts der Preise und der langweiligen Umgebung schnell wieder nach Hause wollen. Das wollen wir langsam auch und steigen in den plüschigen Bus zurück nach Seoul.